Kantonsgericht 2003-02

Obligationenrecht (OR)


Art. 47 Eine Verzeihung der zur Körperverletzung führenden Tat durch das Opfer schliesst die Zusprechung einer Genugtuung nicht aus, da sie den erlittenen Schmerz und auch die Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die Furcht vor möglichen Spätfolgen nicht zu beseitigen vermag.


KGZS vom 20.6.2003



Art. 199 Im Occasionshandel kommt dem Gewährleistungsausschluss grosse Bedeutung zu. Dem Verkäufer eines Occasionswagens ist es vielfach gar nicht möglich, sich über das frühere Schicksal eines Fahrzeugs zu informieren. Es erscheint daher als legitim, dass der Verkäufer sich durch eine entsprechende Freizeichnungsklausel schützt (vgl. Luis Maissen, Sachgewährleistungsprobleme beim Kauf von Auto-Occasionen, Zürich 1999, S. 111). In der Regel ist davon auszugehen, das die Parteien mit der Wegbedingung der Gewährleistung ganz allgemein den Ausschluss der Haftung infolge Schlechterfüllung meinen. Vor allem fachunkundige Personen kennen in der Regel den Unterschied zwischen der besonderen Sachgewährleistung nach Art. 197 OR und der allgemeinen vertraglichen Haftung nach Art. 97 OR sowie der deliktischen Haftung nach Art. 41 OR nicht. Eine andere Auslegung würde die Freizeichnungsklausel häufig praktisch illusorisch machen, was dem wirtschaftlichen Zweck der Klausel widersprechen würde (vgl. Hans Giger, Berner Kommentar zu Art. 184-215 OR, Bern 1979, N 24 zu Art. 199, Max Keller/Kurt Siehr, Kaufrecht, 3. Aufl., Zürich 1995, S. 111). Daraus folgt, dass die Freizeichnungsklausel sich in der Regel auch auf die vertragliche und deliktische Haftung bezieht (mit Ausnahme der absichtlichen Verschweigung von Mängeln).

KGZS vom 21.1.2003



Art. 271 Gemäss Art. 271 Abs. 1 OR ist eine Kündigung des Mietvertrags anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst. Nach Lehre und Rechtsprechung gilt eine Kündigung insbesondere dann als treuwidrig, wenn sie ohne schutzwürdiges Interesse ausgesprochen wird, d.h. wenn sie grundlos resp. ohne vernünftigen Grund erfolgt, wenn der Kündigungsgrund im Widerspruch zu früherem Verhalten steht oder wenn die Kündigung ein krasses Missverhältnis der Interessen begründet, d.h. wenn Zweck und Wirkung der Kündigung in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen. Ob eine Kündigung treuwidrig ist, muss jedoch immer mit Blick auf den Einzelfall beurteilt werden. Massgeblich ist dabei die Vorgeschichte des Falles, die Besonderheiten und die zur Begründung der Kündigung angeführten Gründe (vgl. Zürcher Kommentar zum OR, Die Miete, Zürich 1996, Higi, Art. 271 N 52/55 und 63 ff., Lachat/Stoll/Brunner, Mietrecht für die Praxis, Zürich 1999, S. 529 f., Basler Kommentar zum OR I, 2. Aufl., Basel 1996, Weber/Zihlmann, Art. 271-271a N 3 ff.).

Die Ueberprüfung einer Kündigung auf Treuwidrigkeit setzt regelmässig voraus, dass die genauen Kündigungsgründe bekannt sind. Art. 271 Abs. 2 OR sieht denn auch vor, dass die Kündigung auf Verlangen begründet werden muss. Die Begründung ist indessen nicht Gültigkeitsvoraussetzung der Kündigung. Eine nicht begründete Kündigung ist nicht a priori treuwidrig. Allerdings kann eine mangelnde oder fehlerhafte Begründung ein Indiz dafür sein, dass ein objektiv erkennbares, ernstgemeintes und schützenswertes Interesse an der Kündigung nicht besteht (vgl. dazu BGE 125 III 231 Erw. 4b = S. 239 f.). Die Kündigungsgründe - soweit sie angeführt werden - müssen sich also tatsächlich verwirklicht haben und zwar bevor die Kündigung ausgesprochen wurde. Schliesslich ist die einmal dargelegte Begründung der Kündigung massgebend, d.h. die kündigende Partei ist an die in ihrer Begründung genannten Kündigungsgründe gebunden. Sie darf also grundsätzlich keine neuen Gründe nachschieben. Damit die Gegenseite ihre Anfechtungschancen abschätzen kann, muss sie nicht nur wissen, aus welchen Gründen ihr gekündigt wurde, sondern sie muss sich auf diese Angaben auch verlassen können. Zulässig ist indessen, dass die kündigende Partei im Rahmen des Anfechtungsverfahrens die ursprünglich genannten Kündigungsgründe präzisiert und konkretisiert. Nur ausnahmsweise dürfen auch neue Gründe nachgeschoben werden, wenn nämlich ein legitimes Interesse daran besteht, die eigentlichen Kündigungsgründe erst nachträglich preiszugeben. Dies kann der Fall sein, wenn es um psychologisch heikle oder gar ehrenrührige Gründe geht und die gekündigte Partei zu ihrer Schonung nicht oder zumindest nicht von Anfang an damit konfrontiert werden soll (vgl. dazu mp 1/93, S. 29). Die kündigende Partei muss also triftige plausible Motive für das spätere Nachschieben von weiteren Kündigungsgründen haben (vgl. Lachat/Stoll/Brunner, a.a.O., S. 525 ff., Higi, a.a.O., Art. 271 N 111 ff. und 146 ff.).


Die kündigende Partei hat die Gültigkeit der Kündigung und die Richtigkeit der angegebenen Kündigungsgründe, sofern diese bestritten werden, zu beweisen. Der gekündigten Partei obliegt die Beweislast für die Treuwidrigkeit der an sich gültigen Kündigung. Dieser Beweis wird dann bedeutsam, wenn aufgrund der bewiesenen Kündigungsgründe unklar bleibt, ob es sich um eine treuwidrige Kündigung handelt. Zunächst müssen also immer die aufgeführten, allenfalls mit einer triftigen Begründung nachgeschobenen Kündigungsgründe von der kündigenden Partei bewiesen werden. Erst dann hat die gekündigte Partei zu beweisen, dass die Kündigung trotzdem treuwidrig ist, z.B. indem sie substantiiert darlegt, dass die nachgewiesenen Kündigungsgründe nur vorgeschoben sind (vgl. Lachat/Stoll/Brunner, a.a.O., S. 527 und 53 f., Higi, a.a.O, Art. 271 N 162 ff.).


KGZS vom 21.10.2003



Art. 324a Sofern dem Arbeitnehmer im Fall krankheitsbedingter Verhinderung an der Arbeit für den Lohnersatz gemäss vertraglicher Vereinbarung sowohl ein direktes Forderungsrecht gegenüber der vom Arbeitgeber abgeschlossenen Lohnausfallversicherung als auch gegenüber dem Arbeitgeber zusteht, ist der Arbeitgeber im Fall der Leistungsverweigerung durch die Versicherung dann leistungspflichtig, wenn er in der Position der Versicherung leisten müsste. Hat die Versicherung die Leistung nur aufgrund eigener Ueberprüfung der Arztzeugnisse, wobei ein Teil der an die Aerzte gerichteten Fragen unbeantwortet blieb, ohne Durchführung einer vertrauensärztlichen Untersuchung verweigert, so ist die Leistungsverweigerung als ungerechtfertigt zu qualifizieren und somit eine Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers zu bejahen.

KGZS vom 11.11.2003



Art. 329b Abs. 1 und 2 Als Basis der Kürzung des Ferienanspruchs gemäss dieser Bestimmung gilt der Jahresferienanspruch (Zürcher Kommentar, Staehelin, Art. 329b OR N 5 = S. 358, vgl. auch Berner Kommentar zum Arbeitsvertrag, Rehbinder, Art. 329b OR N 5 = S. 468, der dies stillschweigend voraussetzt). In einem angebrochenen Dienstjahr wird der abzugsfreie Zeitraum entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses gekürzt (Rehbinder, a.a.O., Art. 329b OR N 5 = S. 468). In Bezug auf die Ermittlung des Kürzungsbeginns ist nicht von Bedeutung, ob die Arbeitsfähigkeit in dem diesem vorangehenden Monat 100 % oder weniger betrug, d.h. die Kürzung beginnt unabhängig vom Grad der Arbeitsfähigkeit bei deren Dauer von mehr als zwei Monaten ab dem zweiten Monat (vgl. JAR 1997, S. 145 ff., bes. 149). Sofern nur eine teilweise Arbeitsunfähigkeit besteht, ist auch nur der der Arbeitsunfähigkeit entsprechende Bruchteil der Kürzung vorzunehmen.

Bei Teilarbeitsfähigkeit muss sich der Arbeitnehmer im Fall des Fernbleibens von der Arbeit nur die Zeit, in der er arbeitsfähig war, auf den Ferienanspruch anrechnen lassen. Die hiervon abweichende Auffassung des Zürcher Arbeitsgerichts in JAR 1997, S. 145 ff., wonach der Erholungswert der Ferien bei zusammenhängendem Bezug arbeitsfreier Tage durch eine teilarbeitsfähige Person die volle Anrechnung der arbeitsfreien Tage auf den Ferienanspruch rechtfertige, vermag nicht zu über-zeugen. Der Arbeitnehmer, der teilarbeitsfähig ist, hat Anspruch darauf, die Zeit, während der er arbeitsfähig ist, voll für seine Erholung zu nützen. Bei eingeschränkter Arbeitsfähigkeit ist auch der Erholungswert eines arbeitsfreien Tages nicht gleich hoch wie bei voller Arbeitsfähigkeit. Zu bemerken ist weiter, dass das Gesetz dem vom Arbeitgeber durch die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers erlittenen Nachteil bereits durch die Ferienkürzung gemäss Art. 329b OR Rechnung trägt und es nicht angeht, bei der Berechnung des Ferienbezugs die Arbeitsunfähigkeit nochmals zum Nachteil des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.


KGZS vom 2.9.2003



Art. 330a Abs. 1 Gemäss Rechtsprechung und Lehre besteht kein Anspruch auf die Aufnahme einer Forrmulierung "frei von jeder Verpflichtung" in das Arbeitszeugnis, wenn unter irgend einem Titel, zum Beispiel Konkurrenzverbot, noch offene Fragen bestehen (Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, Zürich 1992, N 3 zu Art. 330a OR).

KGZS vom 22.7.2003



Art. 337 Duldet ein Arbeitgeber im Gastgewerbe, dass die Angestellten selbständig ihren Dienstplan erstellen und ihre Ferien planen und anschliessend in einen in der Küche aufgehängten Kalender eintragen, ohne diese zu kontrollieren, so stellt ein Ferienbezug durch einen Angestellten im Sommer, der diesem vom Arbeitgeber am Tag des Ferienantritts verboten wird, kein Grund für die fristlose Entlassung dar, zumal jener bereits bisher während des 4 Jahre dauernden Arbeitsverhältnisses jeweils im Sommer seine Ferien zu beziehen pflegte.

KGZS vom 7.1.2003



Art. 337 Arbeitsverweigerung kann nach der Rechtslehre einen wichtigen Grund darstellen, welcher den Arbeitgeber zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt (vgl. Zürcher Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Zürich 1996, Staehelin, Art. 337 N 15 = S. 620). Richtig ist auch, dass eigenmächtiger Ferienbezug grundsätzlich als Grund für eine gerechtfertigte fristlose Entlassung qualifiziert wird (vgl. BGE 108 II 301 ff., bes. 303, Geneve Cour d'appel vom 31.5.1988, JAR 1990, S. 259 f. und die in diesen beiden Urteilen zitierte Literatur, vgl. ferner Bundesgericht in JAR 1998, S. 210 ff., vgl. auch Zürcher Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Staehelin, Art. 337 N 17 = S. 621). Der Berner Kommentar zum Arbeitsvertragsrecht, Bern 1992, Rehbinder, Art. 337 OR N 7 = S. 129, geht davon aus, dass eine solche Entlassung nur bei Bösgläubigkeit des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist. Einer besonderen Beurteilung bedarf der eigenmächtige Ferienbezug während der Kündigungsfrist bei gekündigtem Arbeitsverhältnis. Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, 5. Aufl., Zürich 1993, führen aus, dass ein solcher dann statthaft ist, wenn der Ferienbezug aus wenig stichhaltigen Gründen verweigert werde, jedoch dann nicht, wenn der Einsatz des Arbeitnehmers im Betrieb dringend ist (Art. 329c N 11 = S. 241). Im vorliegenden Fall wurde der Ferienbezug mit der Begründung abgelehnt, dass kein entsprechender Ferienanspruch mehr bestehe. Ob ein solcher im Zeitpunkt der Ankündigung des Ferienbezugs durch den Kläger und dessen Ablehnung durch die Beklagte noch bestand, war im Zeitpunkt der Entlassung zwischen den Parteien umstritten. Das Kantonsgericht folgt dem Bezirksgericht darin, dass in Anbetracht des in Art. 329d Abs. 2 OR grundsätzlich vorgesehenen Anspruchs des Arbeitnehmers auf Bezug der Ferien in natura der eigenmächtige Bezug noch offener Ferien während der Kündigungsfrist grundsätzlich nicht als Grund für eine fristlose Entlassung zu qualifizieren ist. Sofern der Arbeitnehmer bezüglich des Bestandes seines Ferienanspruchs gutgläubig ist, gilt dies auch dann, wenn der Arbeitgeber den Bestand des Ferienanspruchs bestreitet.

KGZS vom 2.9.2003



Art. 337 Eine fristlose Kündigung ist trotz einer langen vertraglichen Kündigungsfrist von 16 Monaten nicht gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer, der vorher selbst gekündigt hatte,

a) per sofort von seiner bisherigen Aufgabe als Geschäftsführer entbunden wurde,


b) ihm stattdessen gegen seinen Willen eine Spezialaufgabe in einer anderen Firma zugewiesen wurde, die auf eine Aenderung des Arbeitsvertrags hinausläuft, und


c) er sich anschliessend zu einem Sprachaufenthalt ins Ausland begab, wobei er während diesem in regelmässigem Kontakt mit seinem Nachfolger blieb.


Selbst wenn man eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Annahme der zugewiesenen neuen Aufgabe bejahen würde, wäre es der Arbeitgeberin in Anbetracht dessen, dass die während der langen Kündigungsfrist naheliegende Problematik einer Ersatztätigkeit vertraglich nicht geregelt war, zumutbar gewesen, vor einer fristlosen Kündigung an den Arbeitnehmer einen Rückruf, verbunden mit einer Abmahnung, eventuell mit der Androhung einer fristlosen Kündigung, zu erlassen.


KGZS vom 21.10.2003



Art. 343 Abs. 2 Gemäss BGE 116 II 379 sind Streitigkeiten betreffend die Ausstellung oder Formulierung von Arbeitszeugnissen vermögensrechtlicher Natur. Zur Bestimmung der Streitwerthöhe ist in erster Linie auf die übereinstimmenden Angaben der Parteien abzustellen. Liegt keine übereinstimmende Wertangabe der Parteien betreffend Arbeitszeugnis vor, so ist das Arbeitszeugnis grundsätzlich mit einem Monatslohn zu bewerten, da es sonst höchst unbefriedigend wäre, wenn es in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, ob eine Appellation möglich oder ob das Verfahren gemäss Art. 343 Abs. 2 - 4 OR anwendbar ist (JAR 1990, S. 219 f.: Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, Zürich 1992, N 6 zu Art. 330a OR).

KGZS vom 22.7.2003



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