Kantonsgericht 2003-03

Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG)


Art. 27 Abs. 2 lit. a und b Art. 27 Abs. 2 lit. a IPRG hat zugleich Schutz- und Sanktionsfunktion. Diese Bestimmung schützt den inländischen Beklagten, der im Ausland eingeklagt und verurteilt wird, ohne dass er darum wusste oder dort Gelegenheit hatte, sich zu verteidigen. Und sie sanktioniert die ausländische Entscheidung, weil sie einer ausländischen Entscheidung, welche in einem gegenüber dem Beklagten unkorrekten Verfahren ergangen ist, die Anerkennung versagt. Allerdings muss die ausländische Rücksichtslosigkeit gegenüber dem inländischen Beklagten echt sein. Wenn sich dieser bloss taub gestellt hat oder nur Formalismen (z.B. falscher Zustellungsweg) vorschiebt, so entfällt der Rechtsschutz. Mit der Ladung ist die erste, den Prozess einleitende Vorladung vor das urteilende Gericht gemeint, nicht auch die späteren gerichtlichen Mitteilungen an die Parteien. Die erste Ladung soll den Beklagten auf das gegen ihn gerichtete Verfahren aufmerksam machen und ihn zur Organisation seiner Verteidigung auffordern. Durchwegs alle nationalen Prozessordnungen lassen es zu, dass die späteren Mitteilungen des Gerichts an einen bezeichneten Zustellungsbevoll-mächtigten gehen (Heini/Keller/Siehr/Volken, IPRG Kommentar, Zürich 1993, N 30 und 31 zu Art. 27 IPRG = S. 288 f.). Die Beweislast für verfahrensrechtliche Ordre public-Vorbehalte im Sinn von Art. 27 Abs. 2 lit. a oder b IPRG obliegt der Partei, die sie geltend macht. In einem Fall, in dem nach Rückweisung einer Scheidungssache zur Neubeurteilung nach vorausgegangener Verfahrensbeteiligung eine weitere Entscheidung des Gerichts, an das der Fall zurückgewiesen worden war, zu erwarten ist, genügt die blosse Behauptung, eine Vorladung nicht erhalten zu haben, nicht, dies im Gegensatz zur ersten verfahrenseröffnenden Vorladung, wenn die betroffene Partei noch keine Kenntnis vom gegen sie gerichteten Verfahren hat. Eine gleichsam "gewöhnliche" Säumnis einer Partei oder ihres Vertreters in einem ihr bzw. dem Vertreter bekannten hängigen Verfahren begründet allenfalls einen Restitutions- oder Wiedereinsetzungsanspruch beim erkennenden oder übergeordneten Gericht, aber keinen Grund für die Verweigerung einer Urteilsanerkennung im Sinn von Art. 27 Abs. 2 lit. a oder lit. b IPRG.


KGZS vom 28.1.2003



Art. 109 Weder die anhand des Gerichtsstandsgesetzes (vgl. Art. 25 GeStG) erfolgte Lockerung des Grundsatzes vom Forum am Beklagtenwohnsitz noch ein Verweis auf die Entwicklung in der Europäischen Union vermögen ein Abweichung vom klaren und unzweideutigen Gesetzeswortlaut von Art. 109 IPRG zu rechtfertigen. Bei Art. 5 Ziff. 3 LugUe, welcher für Deliktsklagen eine alternative Zuständigkeit am Ort des schädigenden Ereignisses eingeführt hat, enthält nur einen subsidiären Gerichtsstand am Deliktsort, der dann Anwendung findet, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz in der Schweiz hat. Auch Art. 3 Abs. 2 des TRIPS-Abkommens, welcher die Möglichkeit zu Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Ausländern mit Inländern einschränkt, rechtfertigt nicht die Annahme einer örtlichen Zuständigkeit am Deliktsort in Immaterialgüterrechtsstreitigkeiten, da der dort verwendete Begriff "Gerichtsverfahren" in einem engeren Sinn auszulegen ist, der die Zuständigkeitsvorschriften nicht mitumfasst Die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des geistigen Eigentums vom 14.7.1967 (= PVUe), auf die das TRIPS-Abkommen Bezug nimmt, erwähnt in Art. 2 Abs. 3 betreffend die Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Ausländern mit Inländern die Vorschriften betreffend die Zuständigkeit gesondert neben denjenigen über das gerichtliche und das Verwaltungsverfahren.

KGZSP vom 29.8.2003 (zivilrechtliche Nichtigkeits- und staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht hängig)



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