Kantonsgericht 2003-09

Zivilprozessordnung (ZPO)


§ 11 Ziff. 3 lit. b In einem Fall, in dem beide Parteien eine Vernehmlassung und weitere Unterlagen einzureichen haben, stellt die Ablehnung des Akteneinsichtsbegehrens derjenigen Partei, die ihre Vernehmlassung und ihre Unterlagen noch nicht eingereicht hat, mit der Begründung, dass ihr die Akteneinsicht wegen Wahrung der Waffengleichheit erst nach Einreichung ihrer eigenen Vernehmlassung und Unterlagen gewährt werden könne, keine Rechtsverzögerung dar.


KGZS vom 10.2.2003



§ 71 Bei der Beurteilung der Frage der Bedürftigkeit der um unentgeltliche Prozessführung ersuchenden Partei ist der praxisgemäss gewährte Zuschlag von 15 % auf dem Grundbetrag nicht nur auf dem der betreffenden Partei selber zustehenden Grundbetrag, sondern auch auf demjenigen der mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder zu gewähren.

KGZS vom 27.1.2003



§§ 71 ff. Bei Schiedsgerichtsverfahren ist die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung zu Lasten des Staates ausgeschlossen, da es sich bei den Schiedsgerichten um private Gerichte handelt, dies auch dann, wenn wie hier eine staatliche Gerichtsperson die Funktion eines/einer Schiedsrichters/Schiedsrichterin ausübt (vgl. betreffend die fehlende Möglichkeit der unentgeltlichen Prozessführung im schiedsrichterlichen Verfahren Vogel Oscar/Spühler Karl, Grundriss des Zivilprozessrechts, 7. Aufl., Bern 2001, Kap. 11 Rz 63 = S. 303, Rüede/Hadenfeldt, S. 241, Jolidon, Commentaire du Concordat suisse sur l'arbitrage, Bern 1984, S. 449, BGE 99 Ia 329).

KGZS vom 15.7.2003



§ 72 Gemäss 72 Abs. 1 ZPO ist eine Partei, die vor Prozessschluss die unentgeltliche Prozessführung erhielt, bei einem Teilerfolg in einem Forderungsprozess zur Zahlung der ihr obliegenden ordentlichen Kosten anzuhalten und gemäss § 76 Abs. 2 ZPO hat sich ihr Vertreter aus der seiner Partei zugesprochenen bzw. durch Vergleich zugestandenen Summe bezahlt zu machen. Ein Anspruch der bedürftigen Partei auf Vergütung einer ihr in dem von ihr geführten Prozess zu Lasten der Gegenpartei zugesprochenen Parteientschädigung durch den Staat im Fall von deren Uneinbringlichkeit ist anders als bei einer der Gegenpartei einer im Kostenerlass prozessierenden Partei zugesprochenen Parteientschädigung (vgl. § 72 Abs. 2 ZPO) nicht vorgesehen.

KGZS vom 2.9.2003



§ 109 Abs. 3 Die Ansetzung einer Nachfrist für die Einreichung einer Rechtsschrift gemäss § 109 Abs. 3 ZPO ist auch für zweitinstanzliche Rechtsschriften zulässig, da diese Bestimmung nicht zu den besonderen Bestimmungen für die erste Instanz zählt. Auch die Einholung einer Stellungnahme der Gegenpartei vor Ansetzung der Nachfrist ist in dieser Bestimmung nicht vorgesehen.

KGZS vom 9.12.2003



§ 212 Abs. 2 Diese Bestimmung ist sinnvollerweise so zu verstehen, dass der abwesenden Partei das Urteil schriftlich zugestellt werden muss, um den Beginn der Rechtsmittelfrist auszulösen. Dieses Ergebnis wird auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. Weibel/Rutz, Gerichtspraxis zur basellandschaftlichen Zivilprozess-ordnung, S. 246) gestützt, wonach die abwesende Partei sich die mündli-che Eröffnung nicht entgegenhalten lassen muss.

KGZS vom 5.8.2003



§ 233 Vorweg ist zu prüfen, ob die Beschwerde gegen die angefochtene Verfügung des Kantonsgerichtspräsidiums überhaupt zulässig ist. Richtig ist, dass Entscheide, welche ein Begehren auf vorsorgliche Verfügung ablehnen bzw. auf ein solches nicht eintreten, grundsätzlich beschwerdefähig sind (vgl. Weibel/Rutz, Gerichtspraxis zur basellandschaftlichen ZPO, 4. Aufl., 1986, § 233 Ziff. 2.6 = S. 282, § 240 Ziff. 7 = S. 312, BJM 1966, S. 302 ff., Hasenböhler, BJM 1976, 49 f.), fraglich ist jedoch, ob solche Beschwerden auch gegen Entscheide des zweitinstanzlichen Präsidiums geführt werden können. Das Obergericht (die zweite Instanz in Zivilsachen vor Einführung des Kantonsgerichts) hat in einem Entscheid vom 27. November 1979 (vgl. Mitteilungen über gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht 1981, S. 39 ff.) eine derartige Beschwerdemöglichkeit bejaht mit Hinweis auf § 233 ZPO und auf Zulassung der Beschwerde gegen Entscheide des Obergerichts-präsidiums betreffend die unentgeltliche Prozessführung. Kritisch kommentiert wurde dieser Entscheid bei Weibel/Rutz, a.a.O., § 233 Ziff. 1.6 = S. 278. Mit Recht wurde dort darauf verwiesen, dass die ZPO es regelmässig ausdrücklich sagt, wenn sie gegen den Entscheid eines Gerichtspräsidiums eine Weiterzugsmöglichkeit an das Gesamtgericht gleicher Instanz einräumt. Dies trifft nicht nur für die unselbständige Beschwerde gemäss § 233 Abs. 6 ZPO sondern auch für die Beschwerde gegen Entscheide betreffend die unentgeltliche Prozessführung gemäss § 73 Abs. 2 ZPO zu, wo das Beschwerderecht gegen die Entscheide der in § 73 Abs. 1 ZPO ausdrücklich aufgezählten Instanzen, zu denen gemäss lit. c das Präsidium der Abteilung Zivil- und Strafrecht des Kantonsgerichts bezüglich der in seine und die Kompetenz der Dreier- und Fünferkammer der Abteilung Zivil- und Strafrecht fallenden Klagen gehört, gewährt wird. Weitere Bestimmungen betreffend die Weiterziehbarkeit von Präsidialentscheiden an das Gesamtgericht finden sich in den §§ 149a Abs. 5, 250 Abs. 1 und 2, 253 Ab. 3 und 254 Abs. 1 ZPO. Gegen eine Ausdehnung der Beschwerdemöglichkeit gemäss § 233 Abs. 1 ZPO auf Entscheide des Präsidiums des Kantonsgerichts, Abteilung Zivil- und Strafrecht, spricht neben der vorerwähnten Regelungsform der ZPO auch, dass der Weiterzug innerhalb der gleichen Instanz insofern problematisch ist, als hierbei vielfach Richter über die Entscheide eines Richterkollegen, mit dem sie zusammenarbeiten und auch gemeinsam Fälle zu beurteilen haben, zu befinden haben. Dies gilt namentlich dort, wo nur eine Gerichtskammer besteht, was für das Kantonsgericht, Abteilung Zivil- und Strafrecht, das zwar über zwei Präsidenten, aber nicht über zwei voneinander getrennte Kammern verfügt, zutrifft. Gestützt auf diese Ueberlegungen gelangt die Dreierkammer des Kantonsgerichts, Abteilung Zivil- und Strafrecht, zur Ueberzeugung, dass an der in Mitteilungen über gewerblichen Rechtsschutz 1981, S. 39 ff. publizierten Praxis nicht festgehalten werden kann und die Beschwerdemöglichkeit in Bezug auf Entscheide des Kantonsgerichtspräsidums zu verneinen ist. Es trifft zwar zu, dass dies dazu führt, dass einer Partei, die mit einem ihr Begehren auf Erlass einer provisorischen Verfügung ablehnenden bzw. auf dieses nicht eintretenden Entscheid nicht einverstanden ist, nur noch der Weg der staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht offensteht. Bei Immaterialgüterrechtsprozessen stellt der Verlust einer zweiten kantonalen Instanz eine Konsequenz dessen dar, dass die Bundesgesetzgebung diesbezüglich den Kantonen eine einzige Instanz vorschreibt. Auch gegen den Sachentscheid ist kein kantonales Rechtsmittel möglich ist, sondern es steht nur eine Weiterzugs-möglichkeit ans Bundesgericht zur Verfügung. In Zusammenhang mit an sich beschwerdefähigen Präsidialentscheiden im Rahmen des Appellationsverfahrens fällt der Nachteil des Fehlens einer kantonalen Rechtsmittelmöglichkeit in Anbetracht dessen, dass ein Rechtsmittel von Kollegen des für den angefochtenen Entscheid zuständigen Richters beurteilt werden muss, nicht allzu stark ins Gewicht.

KGZS vom 11.11.2003 (zivilrechtliche Nichtigkeits- und staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht hängig)



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